Die neuapostolische Gemeinde Jestetten
Ralf Göhrig
Seit November 2023 gibt es in der neuapostolischen Kirche keine Gottesdienste mehr, der Abschlussgottesdienst fand am 29. Oktober statt. Eine neue Heimat hat die Gemeinde in der Neuapostolischen Zentralkirche Schaffhausen-Neuhausen gefunden. Die neuapostolische Gemeinde in Jestetten besteht jedoch nach wie vor – nur eben ohne eigene Kirche.
Im Grunde ist die neuapostolische Kirche in Jestetten den Corona-Maßnahmen zum Opfer gefallen, denn zu Zeiten der Pandemie durften in der Schweiz längst wieder Gottesdienste gefeiert werden und Menschen sich treffen, während in Deutschland noch eine weitgehende Kontaktsperre galt. Um Gottesdienst zu feiern, machten sich seinerzeit die Jestetter Geschwister auf den Weg in die Schweiz, wo sie ihre neue Heimat fanden.
Ein anderer Grund für die Auflösung der neuapostolischen Gemeinde in Jestetten ist der Priestermangel. Der letzte Priester, Reiner Czygan, wurde pensioniert und auch der Wegzug von Mitgliedern der ohnehin schon sehr kleinen Gemeinde war schwer aufzufangen. Zuletzt waren es noch rund 30 neuapostolische Christen in Jestetten und Umgebung, die sich freilich bis in die östlichen Teile der politischen Gemeinde Klettgau ausdehnt.
Die Anfänge der Jestetter Gemeinde liegen in den 1920er-Jahren. Damals besuchten die neuapostolischen Gläubigen die Gottesdienste in Hüntwangen (CH).
Durch die Auflösung des Zollausschlussgebietes wurden plötzlich viele Zöllner im Jestetter Zipfel benötigt, weshalb auch Geschwister aus Westfalen nach Jestetten zogen. Nach dem Krieg wuchs die Gemeinde weiter an. Die Gottesdienste wurden in privaten Räumlichkeiten in Nack, Jestetten und Lottstetten gefeiert. Im Jahre 1955 konnte in Jestetten eine feste Gottesdienststätte bezogen werden, es waren zwei Zimmer, die von einem Gemeindemitglied umgebaut und zur Verfügung gestellt worden waren. Doch auch diese Räume in der sogenannten Hubertushütte (Haus Schlitz) wurden rasch zu klein, sodass eine andere Lösung gefunden werden musste.
Man fand ein Grundstück an der Neunkircher Straße und baute eine Kirche, die Platz für rund hundert Gläubige bot. Den Auftrag zum Bau dieser Kirche erteilte die Zentralverwaltung der Neuapostolischen Kirche in Karlsruhe, ebenso übernahm sie die Finanzierung. Am 19. Oktober 1968 wurde die Kirche im Beisein von Bürgermeister Otto Holzscheiter von Bischof Karl Weiß aus Tuttlingen eingeweiht. Später wurde sie noch durch einen Mutter-Kind-Raum ergänzt. Der Kirchenraum selbst und sein Nebenraum bestehen aus Fertigelementen, der Bau des Fundaments und die Umgebungsarbeiten wurden von örtlichen Handwerksbetrieben ausgeführt.
Bis ins neue Jahrtausend fand ein reges Gemeindeleben mit zahlreichen Veranstaltungen statt.
Die neuapostolischen Priester in Jestetten waren Alfred Hinzsch (1955-1970), Karl Kaiser (1970-1987), Urs Heiniger (1987-1999) und Reiner Czygan (1999-2023).
Nach dem letzten Gottesdienst im Oktober 2023 steht nun das Kirchengebäude zum Verkauf und wartet auf seine zukünftige Nutzung.