Der Polizeiposten Jestetten
Rita Kromer
Trotz strömendem Regen war es ein stolzer Moment, als Ende Mai dieses Jahres der neue Polizeiposten in Jestetten eingeweiht wurde, um zum 1. Juni in Betrieb genommen zu werden. Nach rund eineinhalbjähriger Bauzeit konnte das Polizei- und Wohngebäude fertiggestellt werden. Zahlreiche Amts- und Würdenträger, Projektbeteiligte und Handwerker hatten sich eingefunden, um der feierlichen Eröffnung durch Bürgermeister Dominic Böhler, den leitenden Polizeidirektor Uwe Oldenburg und den Architekten Peter Schanz beizuwohnen. Von Pfarrer Richard Dressel wurde das neue Gebäude gesegnet.
Dominic Böhler betonte, dass die Bauarbeiten störungsfrei und im Zeitplan abgelaufen sind. Die Baukosten liegen bei 2,6 Millionen Euro. Neben den Räumlichkeiten für die Polizei beherbergt das Gebäude fünf gemeindeeigene Mietwohnungen, die modern und zeitgemäß ausgestattet sind. Die Wohnungen werden ausschließlich an Personen vergeben, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. So wurde zusätzlich dringend benötigter und bezahlbarer Wohnraum geschaffen und gleichzeitig konnten aus Mitteln der Mietraumförderung von Bund und Land Zuschüsse in Höhe von rund 600.000 Euro abgerufen werden. Der Gemeinde war es wichtig, mit dieser weitsichtigen Entscheidung und einem entsprechenden Mietvertrag den Polizeistandort Jestetten langfristig zu sichern.
Dass die Polizeipräsenz im Ort überhaupt aufrechterhalten bleibt, ist nach der Polizeireform im Jahre 2014 der außergewöhnlichen Lage Jestettens an der Grenze zur Schweiz geschuldet.
Ich unterhalte mich mit Polizeioberkommissar a.D. Alexander Danner, der unter anderem lange Zeit polizeilicher Jugendsachbearbeiter war. Nach fast 30 Jahren im Streifendienst wechselte er im Jahr 2012 nach Jestetten und ging 2023 in Pension. Er weiß spannend vom Leben eines Polizisten zu erzählen. Als erstes fällt ihm ein, dass es mit seinem Amtsantritt in Jestetten sofort vorbei war mit der gewohnten Anonymität. Als Ortsansässiger war er bei den Bürgern natürlich bekannt. Die Dienststelle war zu seiner Zeit von 7.30 Uhr bis 17 Uhr durchgehend besetzt, einen täglichen Wechselschichtdienst rund um die Uhr gab es in Jestetten nie. Der Polizeiposten gehört zum Polizeirevier Waldshut-Tiengen und ist zuständig für die Gemeinden Jestetten, Lottstetten und Dettighofen. In Zahlen bedeutet das eine Verantwortung für ungefähr 9200 Einwohner auf einer Gesamtfläche von 48 qkm. Für Unfälle ist Jestetten zuständig bis zur Sägerei Bühl.
Alexander Danner berichtet, dass die leider dünne Personaldecke der Polizei immer ein Thema war. Für Vorfälle später am Abend oder nachts ist das Revier in Waldshut zuständig. Dann war immer die Frage, ob und wann die Streife von dort kommen kann. Natürlich wäre es für den Ort und seine Bürger wünschenswert, wenn der Posten über die genannten Dienstzeiten hinaus besetzt sein könnte.
Der ehemalige Polizeibeamte erinnert sich an die unterschiedlichsten Fälle, die er in Jestetten zu bearbeiten hatte. Zum Beispiel gibt es durch die Menge an Paketshops im Ort auch entsprechend viel Kriminalität. Die Täter wohnen oft in der Schweiz und agieren unter Pseudonamen. Alexander Danner spricht von Drogen, scharfer Munition und Schusswaffen, die gehandelt werden. Er erzählt von Betrügereien, von Enkeltricks, bei denen die Täter leider oft genug erfolgreich vorgehen. Und da gibt es Autoverkäufe, die durch falsche Spediteure abgewickelt werden und so den arglosen Verkäufer um sein Auto und Geld bringen.
Die Zusammenarbeit und der Austausch mit den Schweizer Kollegen, egal ob aus Rafz oder Schaffhausen, war laut Danner immer gut. Durch einen deutsch-schweizerischen Polizeivertrag sind länderübergreifende Amtshilfen möglich. Im Notfall dürfe auch die Bundespolizei helfen, aber auch da wurde in den letzten Jahren das Personal ausgedünnt.
Der Polizeiposten in Jestetten war an verschiedenen Orten untergebracht. Alexander Danner erinnert sich, dass der Posten in den 1960er-Jahren in der Birretstraße unterhalb des Café Central seine Räumlichkeiten hatte. Danach gab es einen Umzug in die Bahnhofstraße. Dort waren leider keine Garagen für die Polizei verfügbar und so musste der jeweilige diensthabende Beamte am Morgen vor Arbeitsbeginn das Fahrzeug von der Birretstraße holen und zur Bahnhofstraße bringen. Nach Ablauf des Mietvertrags in der Bahnhofstraße war wieder ein Umzug angesagt, der Posten war ab den 80er-Jahren in der Klettgauer Straße zuhause. Hier hat Alexander Danner seinen Dienst getan und er erzählt, dass die Büros schon damals nicht den Anforderungen an einen funktionalen Arbeitsplatz entsprochen hätten. Die Räume waren zu klein, der sanitäre Bereich ließ zu wünschen übrig, es gab nur eine Toilette, keinen Verwahrraum und eine Garage, die ebenfalls zu klein war. Beweismittel mussten über eine Zugtreppe in den Speicher geschleppt werden, was sehr mühsam war. Immer funktioniert habe allerdings die EDV-Vernetzung und Alexander Danner betont, dass trotz aller Widrigkeiten das Gebäude seinen ganz eigenen Charme hatte.
Im Frühjahr 2019 ging der Wunsch nach neuen Räumlichkeiten in die Planung über. Die Gemeinde konnte ein passendes Grundstück vom Landkreis erwerben und so wurde das neue Gebäude am Bivangweg bei der Einmündung zur Hombergstraße realisiert.
Leiter des Jestetter Postens ist aktuell Oberkommissar Andreas Rutschmann. Zu seinem Team gehören Mirko Isele und Nadja Adeler. Am Telefon erreiche ich Mirko Isele, der bestätigt, dass sich die Beamten ausgesprochen wohlfühlen am neuen Standort. Der moderne und nach den neuesten Sicherheitsstandards ausgestattete Polizeiposten kann sich sehen lassen. Er verfügt außerdem über einen Verwahrraum, wodurch nun die Möglichkeit besteht, jemanden kurzfristig festzusetzen, um weitere Maßnahmen einzuleiten. Nicht nur das Polizeigebäude ist nagelneu, es gibt auch einen neuen Streifenwagen, keinen Mercedes mehr, sondern einen adäquaten Audi.
Die Bürozeiten wurden angepasst und so ist der Polizeiposten Jestetten nun von 8 Uhr bis 16.30 Uhr zu erreichen, außerhalb dieser Zeiten ist das Revier in Waldshut zuständig.
Jestetten ist froh um die Polizeipräsenz vor Ort, die Personaldecke bei der Polizei insgesamt ist allerdings weiterhin zu dünn.